"Dunkelziffer Unbekannt" erschienen: Seite 5 von 6

Linke.PDS Marzahn-Hellersdorf verdient sich den blutigen Füllfederhalter 2007

Berlins inoffizielles Ausreiselager

In einem Industriegebiet in Spandau steht Berlins in-offizielles Ausreiselager. Zwar hat Berlin beschlossen, kein Ausreisezentrum zu errichten. Doch der formale Unterschied zwischen der Sammelunterkunft in der Motardstraße und einem solchen Zentrum besteht nur aus einem Verwaltungsakt: In Berlin sind es die Sozialämter, die dorthin einweisen; in anderen Bundesländern erledigen dies die Ausländerbehörden. Für die Bewohner_innen macht das keinen Unterschied. Ausreiselager sind so konzipiert, dass die eingewiesenen Menschen dort durch beabsichtigt schlechte Lebensbedingungen eine Perspektivlosigkeit entwickeln sollen. Sie sollen „freiwillig“ ausreisen oder in die Illegalität gehen, wo sie weitestgehend entrechtet sind und damit für  Ausbeutungsverhältnisse aller Art zur Verfügung stehen.

Das Ausreisezentrum Berlin Motardstraße

Seit 1998 dient das Heim als Unterkunft für neu angekommene Flüchtlinge im Asylverfahren, wie es in der Beamtensprache heißt. Hinter Stacheldraht wohnen die Flüchtlinge in fünf Containerklötzen aus grauem Blech, drei Stockwerke hoch. Eine solche Behausung ist unzumutbar. In der Motardstraße aber leben mehr als 400 Menschen. Drei Monate sollen sie laut Gesetz aushalten, nicht länger. Doch seit 2006 werden immer mehr langjährig „geduldete“ Flüchtlinge einquartiert, die zuvor eine Wohnung hatten. Sie müssen bleiben, bis „Sachverhalte geklärt“ sind. Einige wohnen dort nun schon seit einem Jahr.

Was heißt das für die betroffenen Menschen? Die Einweisung in die Motardstraße bedeutet, dass ihnen jede Chance auf eine Teilhabe am sozialen Leben verwehrt ist. Sie bekommen zu wenig, abgepacktes Essen. Sie haben ein Bett zum Schlafen in einem kleinen Mehrbettzimmer. Einen abschließbaren Schrank oder anderen Ort für persönliche Dinge gibt es nicht. Die Toiletten sind nicht abschließbar und funktionieren teilweise nicht. Es wimmelt in der Küche von kleinen Tieren. Die Kammerjäger_innen kommen regelmäßig. Die dort Untergebrachten dürfen zwar das Lager verlassen, aber es liegt in einem Industriegebiet, wo außer ihnen niemand wohnt. Fahrkarten, um woanders hinzugelangen, und sei es zur Behörde oder zum Anwalt, können sie sich ohne Geld nicht kaufen. Wer dennoch wie ein Mensch leben möchte, muss kriminell werden: ohne Fahrschein fahren, irregulär arbeiten, in die Illegalität abtauchen. Wer dabei erwischt wird, verliert jede Chance auf einen legalen Aufenthalt.

Die Verantwortlichen – Die Profiteure

Verantwortlich für die Existenz des Lagers ist die Sozialverwaltung des Landes Berlin. Verantwortlich für die Belegung sind zur Zeit fast ausschließlich die Bezirke. Die Sozialämter der Bezirke können dabei nach eigenem Ermessen gemäß §1a des Asylbewerberleistungsgesetzes vorgehen. Ist ein_e Sachbearbeiter_in der Ansicht, ein Flüchtling wirke nicht genug an der Klärung eines Sachverhaltes mit - für geduldete Migrant_innen bedeutet das alles; von der Beschaffung von Papiere bis zur eigenen Abschiebung -, kann er/sie den Flüchtling in die Motardstraße schicken. Doch niemand zwingt die Sozialämter, Flüchtlinge in die Motardstraße zu dirigieren. Die Firma Dussmann und die Arbeiterwohlfahrt (AWO) profitieren am Betrieb des faktischen Ausreisezentrums Motardstraße. Dussmann ist für die widerlichen Essenspakete verantwortlich, die AWO ist die Betreiberin des Lagers.

Marzahn-Hellersdorf – die Nummer Eins rassistischer Einweisungen

Nicht etwa ein CDU-Sozialstadtrat betrieb bis ins erste Halbjahr 2007 in Berlin die rigideste Flüchtlingspolitik, sondern die Bürgermeisterin und Sozialstadträtin von Marzahn-Hellersdorf, Dagmar Pohle (Linkspartei). Einer parlamentarischen Anfrage zufolge hatten in Berlin Mitte März des Jahres 2007 388 Menschen mit verschiedenem Aufenthaltsstatus einen Wohnheimplatz statt einer Wohnung und erhielten ihre Sozialhilfe nicht als Bargeld sondern als Sachleistungen. Gut jeder vierte Fall der Einweisungen durch Bezirksämter (56 von 216) lag in der Verantwortung des von der Linkspartei geführten Sozialamtes Marzahn-Hellersdorf, obwohl die rot-rote Landesregierung seit Jahren Geldleistungen Priorität gegenüber Sach-leistungen einräumt und durchgesetzt hatte, dass Flüchtlinge in Wohnungen wohnen dürfen. Bürgermeisterin Pohle erklärte ihre Politik: „Wir setzen ausschließlich Regelungen des Landes Berlin um, wenn wir Flüchtlinge in eine Unterkunft mit Sachleistungen einweisen. Da haben wir keinen Ermessensspielraum.“ Sie verwies darauf, dass rund 120 Menschen ihres Bezirks „in ihren Wohnungen verblieben sind, die nach den Regelungen der zuständigen Senats-verwaltung in Sachleistungseinrichtungen unterzubringen gewesen wären.“ Mit anderen Worten: Den schwarzen Peter schob sie ihrer Parteifreundin, Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner, zu. Warum andere Bezirke deutlich weniger Flüchtlinge auf Sachleistungen umstellten, erklärte sie so: „Die haben vielleicht weniger Fälle, auf die diese Weisung zutrifft.“

Im Mai 2007 verkündete der Bezirksvorsitzende der Linken.PDS, Norbert Seichter, dass Marzahn-Hellersdorf dem Beispiel anderer Bezirke und dem Senat folgen würde, keine weiteren Menschen in das Lager Motardstraße einzuweisen und die Fälle der damals 56 Betroffenen einzeln zu überprüfen. Zusätzlich zu individuellen Chancen Abschiebungen zum Beispiel wegen Krankheit oder der juristischen Unmöglichkeit zu verhindern, erhöhten sich die Chancen einzelner auch, weil eine im August 2007 erlassene neue so genannte „Ausführungsvorschrift“ der Landessozialverwaltung den Bezirken die Unterbringung in Wohnungen einfacher macht. Trotzdem hat das Bezirksamt Marzahn-Hellersdorf sechs weitere Menschen zwischen Februar und Sommer 2007 eingewiesen. Es wurde eine antirassistische Attrappe gebaut - eine Anfrage vom Dezember 2007 über die Einweisungszahlen ist immer noch nicht beantwortet. Die Linke.PDS schweigt sich aus.

Die Zeit des Schweigens muss jedoch enden. Laut werden gegen Rassismus, laut werden gegen das Lager-system, laut werden gegen die Praxis eines Bezirks, der dabei hilft Menschen in die Illegalität zu drängen oder in den Tod abzuschieben!

Keine Lager nirgendwo! Rassismus bekämpfen! Lager Motardstraße schließen!

Bündnis Gegen Lager

Weitere Infos: http://www.chipkartenini.squat.net/

Kontakt: buendnis_gegen_lageratriseup.net

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